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»Berlin muss judenfrei werden« (Joseph Goebbels, 1943)


Systematische Deportation der jüdischen Bevölkerung

Um das Deutsche Reich »judenfrei« zu machen, so der Sprachgebrauch der NS-­Führung, deklarierte sie die ab Herbst 1941 reichsweit beginnenden Deportationen von Jüdinnen und Juden verharmlosend als »Umsiedlungen« in die »Ostgebiete«. In Berlin startete am 18. Oktober 1941 der erste Zug am Güterbahnhof Grunewald mit 1 096 Männern, Frauen und Kindern, Fahrtziel war das Ghetto Litzmannstadt in Łódź. Es folgten bis Januar 1945 weitere 61 »Ost­transporte« sowie 121 »Alters­transporte« nach Theresienstadt mit weit über 50 000 Berliner Jüdinnen und Juden. Die Züge der Reichsbahn gingen von den Güterbahnhöfen Grunewald und Moabit (Putlitzstraße) sowie dem Anhalter Bahnhof ab. Nach Erhalt des Deportationsbefehls mussten sich die Betroffenen in Sammellagern (u.a. in der Levetzowstraße und der Großen Hamburger Straße) einfinden und wurden von dort an die Verladerampen eskortiert. In der ehemaligen Synagoge Levetzow­straße wurde 1941 ein Sammellager für die Deportierten eingerichtet. Die Zeitzeugin Hildegard Henschel, Ehefrau des damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin, erinnerte sich:

»[…] am Vormittag [des 18. Oktober 1941] begann die sogenannte »Ausschleusung aus dem Sammel-lager« und die Verbringung der Transportteilnehmer nach dem Bahnhof Grunewald bei strömendem Regen. Die SS hatte ihre offenen Lastwagen vorfahren lassen […] diese durften aber nur Schwache und Kinder benutzen, alle anderen mußten in einem langen Zuge durch die Stadt laufen.«

Quelle: Hildegard Henschel, Zeitschrift für die Geschichte der Juden, 9/1972, S. 39

»Fabrikaktion« und Frauenprotest in der Rosenstraße

Ende Februar 1943 lebten noch etwa 27 000 Jüdinnen und Juden in Berlin, 11 000 von ihnen als Zwangsarbeiter:innen in der Rüstungs­industrie. In der sogenannten »Fabrik­aktion« wurden am 27. Februar 1943 mehr als 8 000 von ihnen unmittelbar von ihren Arbeitsplätzen abgeführt und in Sammel­lagern interniert. Etwa 2 000 kamen in das Sammellager in der Rosenstraße in Berlin­ Mitte, ein Gebäude der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugend­fürsorge der Jüdischen Gemeinde. Nach Bekanntwerden der »Fabrik­aktion« sammelten sich spontan nichtjüdische Ehepartnerinnen aus »Mischehen« und forderten die Freilassung ihrer Angehörigen. Während viele dieser in einer interkonfessionellen Ehe lebenden Zwangsarbeitern aufgrund der Frauen­proteste freikamen, erfolgte zwischen dem 1. und 6. März 1943 die Verschleppung der übrigen Zwangsarbeiter in fünf Trans­porten (31.– 35. Ost­transport) direkt nach Auschwitz. Rund 4 000 der »Rüstungs­juden« konnten sich rechtzeitig verstecken, da sie zuvor gewahrt wurden. Als »U-­Boote« in Berlin untergetaucht, überlebten einige von ihnen den Holocaust.

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Die ehemalige Synagoge in der Levetzowstraße diente Anfang der 1940er Jahre als Sammellager. Die Reste der 1944 von Bombentreffern zerstörten Synagoge wurden Mitte der 1950er Jahre abgerissen. Das Deportationsmahnmal am ehemaligen Standort der Synagoge entstand 1988 auf Initiative des Berliner Senats. © Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
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Notiz von Klaus Scheurenberg an seinen Vater auf der Rückseite eines Rezeptes, um 1942. Der Vater, der selbst als jüdischer Ordner arbeiten musste, konnte seine Familie aus dem Sammellager »Große Hamburger Straße« freibekommen. Am 7. Mai 1943 wurde die Familie von der Gestapo »abgeholt« und vom Anhalter Bahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte. © Privatbesitz Ellen Scheurenberg
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Im Gegensatz zu anderen Orten, wie hier im April 1942 in Würzburg, gibt es für Berlin keinerlei Bildmaterial, das die kilometerlangen Märsche der Deportierten von den Sammellagern zu den Verladerampen dokumentiert. © akg-images

Deportationsziele

Łódź

Sobibor

Riga

Trawniki

Auschwitz

Minsk

Kaunas

Theresienstadt

Deportationsbahnhöfe

Bahnhof Grunewald - Gleis 17

Güterbahnhof Moabit - Gleis 69

Anhalter Bahnhof